von Martin Effert und Bernhard Oswald
Region Bujende, District Kamuli, Zentraluganda, 28.2.2012
Der District Kamuli ist eine sehr ländliche Gegend, 140 km bzw. 4 Stunden Fahrzeit mit dem Pkw in Richtung Norden von Jinja entfernt. Es ist Ende der Trockenzeit, eine Staub- und Dunstglocke liegt über dem Land, manche Bäume lassen die Blätter hängen, in 2-3 Wochen wird kräftiger Regen erwartet. Die Menschen leben in kleinen Rundhütten mit strohgedeckten Dächern, das Wasser wird aus teilweise mehrere Kilometer entfernten Brunnen geholt und schmeckt salzig. Süß schmeckendes Wasser müsste man kaufen und ist Luxus. Elektrizität gibt es nicht. Die Menschen geben sich sehr freundlich und dankbar gegenüber potentiellen Gebern.
Nalango Edise ist 40 Jahre alt, verheiratet und hat 8 Kinder. Vier Kinder sind unter 14 Jahren, 5 ihrer Kinder gehen noch zur Schule. Das Schulgeld beträgt 260.000 Ush pro Jahr, zusätzlich muss sie noch 3/4 kg Maismehl pro Kind und Monat für das Mittagessen an die Schule geben. Sie ist Vorsitzende einer 30 köpfigen Gruppe. Die Mitglieder der Gruppe helfen sich gegenseitig, indem sie sich von einem Gruppenkonto Geld für Kleininvestitionen leihen, wie zum Beispiel zum Kauf eines kleinen Grundstücks für den Gemüseanbau. Die Gruppe erhielt in den Jahren 2004 und 2007 jeweils ein Fahrrad.
Betty Bubulmia ist 50 Jahre alt, verheiratet und hat 10 Kinder zwischen 16 und 30 Jahren. Sie spricht ein wenig Englisch, da sie früher als Sekretärin und als Lehrerin in einer Schule gearbeitet hat. Sie ist Sprecherin einer Gruppe mit 15 Mitgliedern, einer Kooperative für kleine wirtschaftliche Unternehmungen. Die Gruppe hat 2007 und 2009 jeweils ein Fahrrad erhalten.
Wie kamen Sie zu dem Fahrrad?
Betty Bubulmia: Mrs. Watumbia, Vorsitzende der Nkondo Kidera Development Union NKDU regte an, dass wir uns um ein Fahrrad kümmern sollten und sie vermittelte mehrere gesponserte Fahrräder in unserem Verwaltungsbezirk. Eine Bedingung für uns war, dass wir auch an einem „capacity building workshop“ teilnehmen. Mrs. Watumbia meinte, dass die Fahrräder unsere Lebensbedingungen verbessern würden, weil wir für den Transport von Tierfutter oder Wasser weniger Zeit brauchen
Nun die Frage, was ist daraus geworden? Wie nutzen sie die Fahrräder? Welchen Einfluss hat das auf Ihr Leben im Allgemeinen?
Betty Bubulmia: Wir haben mit Hilfe der Fahrräder in der Gruppe Ziegel hergestellt. Die Fahrräder dienen dabei im Wesentlichen zum Wassertransport, denn die Wasserstelle ist mehr als 1 km von der Lehmgrube entfernt. An einem Tag können 2000 Lehmziegel hergestellt werden, die wir für 100 Ush pro Stück verkaufen können. So erhalten wir 200.000 Ush, die in das Gruppenkonto eingezahlt werden.
Von diesem Konto haben wir zum Beispiel 2 Ochsen gekauft (je 500.000 Ush). Sie werden für die Feldarbeit der Mitglieder eingesetzt oder auch für vermietet. Wir erhalten 30.000 Ush pro Acre, die mit den Ochsen umgepflügt werden.
Wir betreiben auch Fischhandel, denn mit den Fahrrädern können wir den Seefischern den Fisch abkaufen und anschließend gewinnbringend auf dem entfernt liegenden Markt in Buyende verkaufen. Auch handeln wir mit energiesparenden Holzkohlekochern.
Nalango Edisa: Ich befand mich vor dem Aufbau der Gruppe in einer verzweifelten wirtschaftlichen Situation. Ich konnte das Schulgeld für meine Kinder nicht bezahlen und lebte mit meiner Familie in einer kleinen baufälligen Hütte, in der die Kinder auf dem Boden schliefen.
Mit Hilfe des Fahrrads haben wir als Gruppe begonnen, gemeinschaftlich Ziegel herzustellen, die wir verkauften bzw. zum Hausbau verwendeten. Ich konnte für meine Familie ein kleines Haus bauen. Weiterhin kaufe ich beim örtlichen Schlachter Kuhköpfe, besorge Feuerholz und koche die Kuhköpfe aus. Das Fleisch verkaufe ich anschließend auf dem Markt. Alle Wege dafür erledige ich mit dem Fahrrad. Mittlerweile habe ich auch eine Arbeit im örtlichen Gesundheitsteam, für das ich Medikamente und Impfstoffe verteile. Von dem Lohn habe ich 2 Kühe gekauft, die genügend Milch für meine Kinder geben.
Meine Kinder nutzen das Fahrrad ebenfalls, sie holen Wasser und Feuerholz und unterstützen mich damit im Haushalt.
Betty Bubulmia: Wir erwirtschaften als Kooperative in gemeinsamen Aktionen Geld, mit dem wir uns als Mitglieder auch manchmal gegenseitig helfen. Zum Beispiel mit dem Schulgeld, wenn eine Familie viele Kinder in der Schule hat oder wenn größere Einzelinvestitionen zu tätigen sind, wie der Kauf von Land.
Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?
Nalango Edisa: Ich könnte noch ein zweites Fahrrad gebrauchen, weil es häufig von den Kindern genutzt ist und es mir dann fehlt.
Mr. Kirigimwiri, ist 70 Jahre alt und hat 10 Kinder im Alter von 15 und 28 Jahren. Er ist verantwortlich für ein Gruppenfahrrad. Das Rad wird genutzt um Feuerholz für seine Familie oder gegen Entgelt auch für andere Familien zu holen und für den Handel mit Holzkohle. Durch das Fahrrad hat er die Möglichkeit, nicht mehr ausschließlich als Tagelöhner zu arbeiten.
„Meine Einkommenssituation hat sich soweit verbessert, so dass ich Hühner kaufen konnte, die ich vermehrt habe. Davon kaufte ich Ziegen und züchtete sie. Mit dem Geld aus der Ziegenzucht war ich in der Lage, das Schulgeld meiner Kinder zu bezahlen. Ich hätte gerne noch ein Training, in dem mir weitere Möglichkeiten zur Nutzung des Fahrrads als Einkommensquelle aufgezeigt werden.“
Mr. Mohamed, ist 28 Jahre und Sohn von Mr. Kirigimwiri. Er selbst hat 7 Kinder.
„Ich bin Boda-Boda Fahrer, d.h. mit meinem Fahrrad bin ich als Taxi unterwegs. Wie mein Vater habe ich früher als Tagelöhner in der Feldarbeit gearbeitet. Als Boda-Boda Fahrer verdiene ich zwischen 5000 und 8000 Ush pro Tag. Damit kann ich meine Familie ernähren. Hart ist die Konkurrenz der Moped-Taxis geworden, da sie schneller sind und eine größere Reichweite haben. Daher muss ich hart arbeiten. Kleine Reparaturen am Fahrrad erledige ich selbst, größere Reparaturen führt der Mechaniker am zentralen Bob-Boda Stand durch. Für Ersatzteile, die ich nicht sofort komplett bezahlen kann, erhalte ich dort Kredit.“
Bujende, 28.2.2012