Nach der Ankunft ging es zunächst nach Jinja. Dort konnte ich mehrere Tage die Arbeit bei BSPW beobachten und auch zum ersten Mal bei einer Fahrradausgabe und bei einem Informationsgespräch bei einer Spargruppe dabei sein. Beide Anlässe führten uns in den Distrikt Kayunga, ca. 100 km nördlich von Jinja. Es ist ein Kaffeeanbaugebiet ‚in deep village‘, wie man in Uganda sagt, und nur über schmale, ungeteerte Straßen zu erreichen.
Die Empfänger hatten sich unter der Leitung des Dorfältesten versammelt -natürlich in ihren Sonntagskleidern bzw. der Schuluniform – und nach einigen Reden und einem Gebet des Pfarrers wurden die Räder übergeben. Für mich war das ein wirklich zu Herzen gehender Augenblick.
Und ich habe verstanden, welch große Bedeutung die Fahrräder in dieser abgelegenen Gegend haben.
Bei meinem Besuch des Kinderheims Mama Jane’s – zusammen mit Michael Rau, der sich z.Zt. in Jinja aufhält,- konnten wir uns überzeugen, welch gute Arbeit dort geleistet wird. Wir bekamen auch die Gelegenheit, den Rohbau der neuen Vocational School (Berufsschule)zu besichtigen. Dort sollen nach der Fertigstellung handwerkliche Berufe wie Landwirtschaft, Schneider, Friseur und Mechaniker unterrichtet werden.
Nach ca. einer Woche machte ich mich auf den Weg ganz in den Westen des Landes , um ‚mein‘ Projekt zu besuchen: die Rural Family Morence Mpora. Meine Freundin Claire hatte sich bereit erklärt, mich dorthin zu fahren und bei dieser Gelegenheit ihren Bruder in Fort Portal zu besuchen – ein wunderbares Angebot! Dadurch musste ich nicht einen dieser unbequemen und gefährlichen Busse nehmen. Wir kamen spät am Abend am Hof an und wurden mit einem köstlichen Abendessen empfangen. Die nächsten Tage verbrachte ich damit, die beiden Schulen zu besuchen und ‚unsere‘ Kinder und Jugendlichen wiederzusehen.
Kisanga Valley Primary School ist, wie schon in meinem letzten Bericht erwähnt, in sehr schlechtem Zustand. Der Baugrund gegenüber der Moons Secondary School wartet auf den dringend benötigten Neubau. Die alten Gebäude sollen bis auf die drei am besten erhaltenen Räume abgerissen werden. In diesen soll nach einer Renovierung die Nursery School (Kindergarten) untergebracht werden.
Einen großen Erfolg hat unsere weiterführende Schule, die Moons Secondary School, erzielt: Vor zwei Jahren hat sie eine Oberstufe erhalten und in diesem Jahr das erste Mal am UACE (Ugandan Advanced Certificate of Education/entspricht unserem Abitur) teilgenommen. Dabei erreichte sie den ZWEITEN Platz im Distrikt Kabarole, in Naturwissenschaften waren sie sogar auf Platz EINS. Das ist ein Riesenerfolg, ist sie doch eine der ärmsten Schulen im Distrikt.
Mit Joseph Muhumuza, dem neuen Direktor, habe ich lange gesprochen. Das große Problem der Schule ist natürlich der Geldmangel. 70% der Eltern können das Schulgeld nicht regelmäßig bezahlen; wenn die Ernte schlecht ausfällt, gar nicht. Dadurch können auch die LehrerInnen nicht regelmäßig bezahlt werden – eine schwierige Situation für den Direktor, der neue, motivierte Lehrkräfte eingestellt hat. Es ist auch notwendig, den SchülerInnen, die sehr weite Wege haben, eine Möglichkeit zum Übernachten in der Schule anzubieten. Für die Mädchen wurde auf dem Schulgelände ein Schlafsaal mit ca. 30 Betten eingerichtet. Das ‚Haus‘, in dem die Jungen schlafen, ist ein unwürdiger, schmutziger Ort mit vernachlässigten Toiletten und Waschhäusern außerhalb des Schulgeländes.
Im neuen Schuljahr gibt es einen neuen Lehrplan für die Mittelstufe(S1-S4) Die Jugendlichen können statt der akademischen Fächer Sprachen und Naturwissenschaften praktische Fächer wie Ackerbau, Ernährung oder Sport wählen.
Und jede Schule muss nach dem neuen Lehrplan Computerunterricht erteilen – eine ziemliche Herausforderung für eine Schule, deren Stromversorgung auf einer kleinen Solaranlage beruht. Von den notwendigen Laptops für die SchülerInnen einmal ganz abgesehen.
Die meiste Zeit verbrachte ich aber am Hof der Rural Family.
Dort leben derzeit ca 45 Kinder und Jugendliche, Waisen oder Halbwaisen, unter vergleichsweise guten Bedingungen. Das Quartier der Mädchen wurde baulich instandgesetzt. Es fehlen die eigentliche Renovierung und neue Möbel, um die Räume wohnlicher zu machen Das Jungenhaus ist dagegen fast luxuriös mit fünf Vierbettzimmern und einem Krankenzimmer. Außerdem gibt es neue Duschen und Toiletten. Was noch immer fehlt, ist Licht. Die vorhandene Solaranlage müsste dringend erweitert werden.
Morences Frau Rose und eine Köchin versorgen die Kinder und Jugendlichen mit Essen. Einkauf und Zubereitung der Mahlzeiten nehmen viel Zeit und Energie in Anspruch. Für dringend notwendige soziale Aufgaben – Gespräche bei persönlichen oder schulischen Problemen fehlt oft die Zeit.
Die Kinder und Jugendlichen haben sich in den letzten Jahren emotional entwickelt. Sie nehmen nicht mehr alles ohne Widerrede hin, sind selbstbewusster geworden. Das ist erfreulich, bedeutet aber auch mehr Herausforderung für die Leitung, mehr Gespräche und Erkärungen.
Ich bin der Meinung, dass zusätzlich professionelle Sozialarbeit, wie sie bei ‚Mama Jane‘ stattfindet, allen Beteiligten sehr gut täte.
Insgesamt ist die Rural Family ein ruhiger Ort in wunderbarer Umgebung.
Seit mehr als sechs Wochen sind wegen der Coronapandemie die Schulen und Märkte in Uganda geschlossen. Die Menschen sollen ihre Häuser nur zum Einkaufen verlassen. Das ist besoders in den Städten, wo die Menschen eng aufeinander wohnen, sehr schwierig. Noch gibt es zum Glück nur sehr wenig Infizierte, wenn man den offiziellen Zahlen trauen kann.
‚Unsere‘ Kinder und Jugendlichen haben es in dieser Zeit ziemlich gut. Sie können sich auf dem Hof frei bewegen, bekommen ihre Mahlzeiten und werden in der Bibliothek täglich eine Stunde von einem Lehrer unterrichtet. Außerdem helfen sie bei der Arbeit auf den Feldern, im Wald und im Garten.
In diesen schwierigen Zeiten ist das Landleben endlich einmal ein Vorteil!
Margit Gärtner