Maxime Hinschberger berichtet von seinen Eindrücken beim Besuch im Flüchtlingslager:
“ ….Zur Zeit entwickle ich gemeinsam mit meinem Chef und der Organisation ein neues Projekt im Norden Ugandas. Die seit 2013 anhaltende Konfliktsituation im Südsudan hat eine akute humanitäre Krise hervorgerufen – mit erheblichen Auswirkungen auf die Situation im Norden des Landes. Bereits seit Jahrzehnten ist Uganda Zufluchtsort für vertriebene Menschen aus der Region Ost- und Zentralafrika und trägt auch aktuell eine zentrale und verantwortungsvolle Rolle bei der Bewältigung der noch immer nicht abreißenden Flüchtlingsströme aus dem Südsudan. Seit Juli vergangenen Jahres haben bereits mehr als eine Millionen Südsudanesen Schutz im Norden Ugandas finden können. Noch immer flüchten täglich tausende Menschen vor Krieg, Hunger und Verfolgung über die Grenze und hoffen verzweifelt auf eine Rückkehr des Friedens in ihrem Land. Viele der geflüchteten haben bereits vor dem Jahre 2011 Zuflucht in Uganda gefunden und sind schon mehrfach als Flüchtlinge registriert worden. Nach der Unabhängigkeit des Südsudan kehrten sie hoffnungsvoll in ihre Heimat zurück. Zwei Jahre später wurde der weltweit jüngste Staat von politisch, ethnischen und religiösen Machtkonflikten zerrüttet. Ein Ende der bewaffneten Konflikte zwischen den verschiedenen Interessengruppen ist bis heute noch immer nicht absehbar.
Uganda – das Land mit einer der weltweit progressivsten Asylpolitik – unternimmt eine vorbildliche und großzügige Herangehensweise an die generelle Flüchtlingsthematik. Vertriebene Menschen werden mit offenen Grenzen empfangen und als Brüder und Schwestern betrachtet – obwohl die nördliche Region selbst noch mit den Folgen des 20-jährigen Bürgerkriegs gegen die LRA zu kämpfen hat. Flüchtlinge erhalten direkten Zugang zu öffentlichen Diensten, Schul- und Gesundheitswesen, genießen praktisch absolute Bewegungsfreiheit und ihnen ist – nicht zu vernachlässigen – gestattet zu arbeiten und ein eigenes Geschäft aufzubauen. Ebenso wird jeder Familie ein 30 x 30 m2 großes Stück Land bereitgestellt, auf dem sie ihr eigenes Haus errichten und die Fläche bewirtschaften können.
Der enorme Zustrom an Menschen in die sonst nur sehr dünn besiedelte nördliche Region Ugandas trägt sichtbare Folgen für Natur, Mensch und Ressourcen mit sich. Da die Nutzung von Feuerholz bislang noch immer die einzige Möglichkeit zum Kochen darstellt, sind die Neuankömmlinge gezwungen, auf die natürlichen Ressourcen der Umgebung zurückzugreifen. Die teils unberührte Natur fällt somit den grundlegenden Bedürfnissen der Flüchtlinge zum Opfer, doch nach geraumer Zeit sind auch diese Kapazitäten aufgebraucht. Mittlerweile stoßen Bedürfnisse der Flüchtlinge als auch lokalen Gastgemeinschaften mit den noch verfügbaren Kapazitäten und Ressourcen der Umgebung aufeinander. Zahlreich werden entlang der Grenze, besonders im Yumbe und Moyo District im Nordwesten des Landes, neue „Refugee Settlements“ eröffnet, um die gewaltigen Lasten auf Umwelt und die lokalen Gemeinschaften zu verteilen und den Zustrom an Menschen zu bewältigen.
Vor zwei Wochen hatte ich die besondere Möglichkeit, gemeinsam mit meinem Chef eine Reise in den Nordwesten zu unternehmen und zwei „Refugee Settlements“ zu besuchen. Wir wollten uns einen persönlichen Eindruck der dort herrschenden Situation verschaffen, um nach Möglichkeit Flüchtlinge mit Solar Cookern zu unterstützen. Unser Ziel ist es, den Menschen eine unabhängige Energie- und Nahrungsversorgung auf Grundlage erneuerbarer Energien zu ermöglichen und gleichermaßen den Einfluss der Settlements auf die angrenzende Natur und Umwelt signifikant zu verringern.
Allein mit Hilfe der Sonnenenergie kann ein Parabolspiegel genügend Hitze erzeugen, um Wasser in wenigen Minuten zum Kochen zu bringen und Essen zuzubereiten. In Kombination mit einem „Cooking Bag“ kann das zubereitete Essen anschließend bis zu fünf Stunden warm gehalten werden. Aufgrund der starken Sonnenintensität könnte diese Technologie den Menschen die alltägliche Last der verzweifelten Suche nach Feuerholz abnehmen und vielerlei weitere Probleme nachhaltig lösen.
Bei unserem Besuch im Bidibidi Refugee Settlement, dem mittlerweile größten Flüchtlingslager der Welt, konnten wir den Menschen die Funktionsweise eines Solar Cookers demonstrieren – die anschließenden Reaktionen waren schlichtweg überwältigend. Nachdem das Zeitungspapier bereits nach drei Sekunden Feuer fing, war selbst ich zutiefst überraschst. Die Menschen trauten ihren Augen nicht, manche hielten es sogar für Magie und wollten sich selbst davon überzeugen. Man spürte die Erleichterung der Menschen und die Faszination für die Einfachheit dieser Idee.
Während meines Aufenthalts im Camp habe ich mehrere Unterhaltungen mit Bewohnern führen können. Eine Alleinerziehende Mutter von elf Kindern berichtete mir von ihrer täglichen zeit- und kraftraubenden Suche nach Feuerholz. Mittlerweile müssen sie und ihre Kinder kilometerweite Strecken zurücklegen, um mit Glück genügend Feuerholz zu finden. Den Abend zuvor war sie gezwungen, ihre Kinder nach einer erfolglosen und kraftraubenden Suche, hungrig zu Bett zu schicken. Genügend Geld für Holzkohle hatten sie nicht mehr. Von dem wenigen Geld, dass sie besitzen, kaufen sie sich ab und zu noch ein Stück Seife.
Der Solar Cooker garantiert den Familien eine zuverlässige, emissionsfreie und nachhaltige Nahrungsversorgung. Der Einfluss auf die Umwelt wird drastisch reduziert, die Belastung für die lokale Gemeinschaft erheblich verringert und Familien werden ungemein entlastet. Müttern ist es nun möglich, durch das Einsparen von Zeit und Geld, neue Möglichkeiten auszuschöpfen und ein unabhängiges Einkommen aufzubauen. Kinder werden von der Suche nach Feuerholz befreit, erhalten nun die Möglichkeit die Schule zu besuchen und können sich in friedlicheren Umständen von den teils traumatischen Erlebnissen im Heimatland erholen. Ebenfalls wird durch ein sauberes und emissionsfreies kochen die gesundheitliche Situation der Familien verbessert. Viele Frauen und Kinder erleiden noch immer Augen, Lungen- und Atemwegserkrankungen, da sich die Feuerstellen oftmals direkt in den Hütten befinden. Rauch und Ruß werden täglich eingeatmet und verschlechtern die allgemeine Luftqualität der umliegenden Region.
Insbesondere werden mithilfe des Solar Cookers die Belastungen und Folgen für die lokalen Gastgemeinschaften verringert. Dies fördert ein friedliches und rücksichtsvolles Zusammenleben der Menschen, wodurch zum einen ebenfalls die Integration und Akzeptanz der Flüchtlinge erleichtert und zum anderen entstehenden Rivalitäten und Spannungen entgegengewirkt wird.
Da sich mein Freiwilligendienst leider nun dem Ende zuneigt und ich bereits in drei Wochen meine Rückreise antreten muss, werde ich mein Engagement für dieses Projekt aus Deutschland fortsetzen. Nun ist es unser Ziel, die Finanzierung eines Pilotprojektes im Umfang von 25 Solar Cookern zu realisieren. Anschließend könnten nach einer ausreichenden Testphase und Evaluation weitere Unterstützungsmaßnahmen ausgearbeitet werden. Doch nun müssen zuerst einmal weitere bürokratische Hürden bestritten werden, um eine Arbeitsgenehmigung in den Refugee Settlements zu erhalten.
Der Rückkehr nach Deutschland blicke ich aktuell mit gemischten Gefühlen entgegen. Selbstverständlich bin ich froh, nach so langer Zeit Freunde und Familie wiederzusehen, verlasse jedoch auch einen Ort, zu dem ich über die Zeit eine sehr persönliche Beziehung aufgebaut habe. Die sechs Monate in Uganda werden mir immer in Erinnerung bleiben und sind von Erfahrungen mit unschätzbarem Wert geprägt.
Falls Sie sich näher für dieses Projekt interessieren, gerne mehr Informationen über aktuelle Projekte erhalten oder unsere Arbeit unterstützen wollen, stehe ich Ihnen gerne jederzeit als Ansprechpartner zur Verfügung.
Liebe Grüße aus dem schönen Jinja,
Maxime
Überall in Uganda kann man zunehmende Abholzung und Erosion beobachten. Wir haben jedoch die Erfahrung gemacht, dass die Akzeptanz von Solarkochern nur dann vorhanden ist, wenn es keine Alternativen gibt. Dies ist im Lager der Fall. Andernorts macht es mehr Sinn, energiesparende Kochstellen zu verwenden, um die Abholzung zu verringern und sich gleichzeitig für Wiederaufforstung einzusetzen.