Warum sich Fahrräder und Bäume perfekt ergänzen
Wenn im Projekt der Fahrradwerkstatt neben dem emissionsfreien Fortbewegungsmittel auch jeweils ein Baum verschenkt wird, überrascht diese Idee zunächst. Was hat denn das umweltschonende Verkehrsmittel, dessen Karlsruher Erfinder Freiherr von Drais vor über 200 Jahren weder Ressourcenknappheit noch Klimaerhitzung kannte, mit der Pflanzung eines Baumes zu tun?
Die dahinterstehende Idee ist so einfach wie genial.
Denn Bäume sind weit mehr als nur die grüne Dekoration einer eher braunen oder ockerfarbenen Landschaft. Sie wirken zuerst als Staubsauger für das Kohlendioxid, dessen Konzentration in der Luft seit den Zeiten von Drais um fast 50 Prozent angestiegen ist. Wären wir in der Lage, wenigstens einen Teil der Landfläche vor allem in den Ländern des Südens wieder zu bewalden, könnten wir einen wichtigen Beitrag zur Eindämmung des CO2-Anstiegs leisten. Das Holz des Baumes besteht zu etwa der Hälfte aus Kohlenstoff. Hierzu wird die dreifache Menge an Kohlendioxid aus der Atmosphäre entzogen und vor allem im Stamm, den Ästen und den Wurzeln eingelagert. Dadurch ist in Bäumen auch 10-mal mehr Kohlenstoff gebunden als in einer Graslandschaft oder einem Getreidefeld.
Wird das Holz anschließend weiterverwendet, ist die Kohlenstoffbindung auch von Dauer: Möbel, Bauholz oder Kunstobjekte aus Holz: überall ist ein wenig Klimaschutz mit dabei. Aber selbst wenn die Blätter teilweise als Futter für Tiere oder Äste als Brennholz dienen, hilft der Baum, andere Energiequellen zu schonen.
Aber Bäume können noch viel mehr: sie bieten Lebensraum für Tiere und versorgen sie mit Nektar oder Früchten. Alte Bäume stellen ein eigenes Biotop dar, vom Wurzelsystem bis zu ihrer Krone. Das Wurzelsystem hält den Boden fest, verhindert Erosion und fördert den Wasserhaushalt, indem der Boden besser Wasser aufnehmen und langsam wieder abgeben kann. Das Grundwasser wird geschützt, indem die oberen Bodenschichten als Filter wirken, was ein degradierter Boden nur sehr schlecht kann.
In einer landwirtschaftlich genutzten Zone wirkt der Baum als Schattenspender positiv auf die Weidewirtschaft, da unter einem Baum das Gras viel üppiger wächst, als wenn es ungeschützt der Sonne ausgesetzt ist. Und schließlich können Bäume durch die Verdunstung von Wasser über ihr Blattwerk die Temperatur in ihrer Umgebung spürbar senken und die Wahrscheinlichkeit von Niederschlägen erhöhen. Ein großer Laubbaum gibt über 500 Liter Wasser pro Tag an seine Umgebung ab und wirkt dadurch wie eine Klimaanlage.
Alle diese Wirkungen lassen sich durch keine bezahlbare Technik erreichen, erst recht nicht in den Ländern des Südens. Daher ist es so einfach wie genial, wenn ein junger heimischer Baumsetzling Huckepack auf einem Fahrrad einen dauerhaften Standort findet, an dem er sich geschützt entwickeln darf. Es ist gelungenes und nachahmenswertes Beispiel, wie mit einer kleinen Maßnahme ein Wunderwerk der Natur in Gang gesetzt wird, unsere Umwelt und damit uns selbst zu erhalten.
Ich gratuliere zu dieser großartigen Idee und hoffe, dass sie sehr viele Unterstützer findet.
Dirk Vogeley
Karlsruher Energie- und Klimaschutzagentur (KEK), die seit 2012 in Ecuador viele tausend Regenwaldbäume gepflanzt hat.